Hin und wieder bietet einem das Leben einen Horrorsteifen live, so wie heute, als ich die Nordradde inspizierte. Bei der „tödlichen Brut“ handelt es sich zwar nicht um endoparasitische Küchenschaben, aber dafür um ein ganz anderes Horrorszenario: Neophyten wohin das Auge blickt!
Der Flussabschnitt, den ich meine, liegt in Meppen-Neustadt, in der Nähe des Emslandstadions. Kommt man aus der Innenstadt und beschreitet die Lathener Straße, biegt man vor der Brücke rechts ab und befindet sich schon mitten auf der Geisterbahn in einem Wald von Drüsigem Springkraut:
Hin und wieder recken sich Brennnesseln, Kletten, Brombeeren oder Stechende Hohlzähne durch das alles überschattende, drüsige Blattwerk, also alles was piekt, kratzt, sticht oder brennt – außer Disteln – die mussten in der Dunkelheit ihr Leben aushauchen. Gruselig.
Am Ende des Weges überschreitet man eine Brücke und geht auf der anderen Seite der Radde, falls einem der Mut nicht verlassen hat, zurück. Dort wird es erst richtig unheimlich: Das Springkraut wird teilweise von der Riesen-Goldrute verdrängt, eine aus Amerika stammende, Stickstoff liebende Riesenpflanze. Ein Gefühl der Panik beschlich mich:
Ich lief immer schneller und paar Meter weiter zog etwas weiteres Gelbes die Aufmerksamkeit auf sich, das auf die Entfernung wie eine Sonnenblume aussah. Aber nein, es war nur ein weiterer invasiver Einwanderer: Topinambur, meine Kehle schnürte sich zu und ich drohte zu ersticken:
Ich rannte wie ich nur konnte, in der Hoffnung, keine Neophyten mehr sehen zu müssen, stieß aber, wie sollte es anders sein, auf den Japanischen Staudenknöterich. Mir stockte das Blut in den Adern:
Zum Glück war die Lathener Straße schon in Sicht, ich hatte also bald das Ende der Geisterbahn erreicht. Ich redete mir ein: Riesen-Bärenklau kann hier unmöglich vorkommen, den sieht man Kilometer weit, und rannte mit zugekniffenen Augen Richtung Straße.
Ich stolperte, fiel zu Boden, und sah mit Entsetzen, was mich zu Fall gebracht hatte: Der Essigbaum:
Mit letzter Kraft robbte ich der Straße entgegen und rappelte mich auf. Das Schicksal hat es noch einmal gut mit mir gemeint, mit der Nordradde scheint es allerdings kein Erbarmen zu haben.




