Artengruppe Arznei-Baldrian |

Blütenstand des Arznei-Baldrians

Junger Blütenstand
Valeriana officinalis L.
s. str. (Arznei-Baldrian),
V. pratensis ssp. pratensis
(Echter Wiesen-Baldrian),
V. pratensis ssp. angustifolia
(Hügel-Wiesen-Baldrian),
V. excelsa ssp. excelsa (Echter
Kriech-Baldrian),
V. excelsa ssp. sambucifolia
(Holunderblättriger Kriech-Baldrian),
V. excelsa ssp. verifolia
(Verschiedenblättriger Kriech-Baldrian)
Die Arten und Unterarten sind oft schwer voneinander zu unterscheiden, die Bestimmungskriterien sind die mittleren Stängelblätter mit Anzahl und Zähnung der Fiedern und die Zahl der Stängelglieder. Findet man im Emsland jedoch einen Baldrian, ist es in den meisten Fällen Valeriana excelsa ssp. excelsa, der Echte Kriech-Baldrian.
Der Arznei-Baldrian, der in fast ganz Europa und in den gemäßigten Zonen Asiens vorkommt, ist eine bekannte Heilpflanze, deren Wurzel zu schlaffördernden und sedierenden Präparaten verarbeitet werden, z.B. Tabletten oder Tropfen. Aber auch als Tee wird Baldrian eingenommen, indem die getrocknete und geschnittene Wurzel mit heißem Wasser übergossen wird. Die erwünschte Wirkung zeigt sich bei regelmäßiger Anwendung erst nach 1-4 Wochen.
Wirkungsweise
Das für die beruhigende Wirkung verantwortliche Molekül wurde aus der Baldrianwurzel extrahiert und ist eine Verbindung aus der Gruppe der Lignane. Es lautet chemisch „4’-O-beta-D-Glucosyl-9-O-(6’’-desoxysaccharosyl)olivil“. Das Lignan bindet an die A1-Rezeptoren, die ihren Sitz in der präsynaptischen Membran einer Nervenzelle haben. Normalerweise bindet dort Adenosin.
Adenosin, ein Nukleosid, reichert sich im Laufe des Tages im Gehirn an und induziert über eine Signalkaskade Müdigkeit. Für den Rezeptor sieht Adenosin und das Lignan gleich aus, löst also die gleiche Kettenreaktion aus, die im Endeffekt müde macht. Auch Coffein bindet an die A1-Rezeptoren, löst aber keine Signalkaskade aus, sondern blockiert den Rezeptor einfach, so dass dort kein Adenosin mehr binden kann. Auf diese indirekte Weise macht Kaffee wach.
Historische Veröffentlichungen
Der Arznei-Baldrian, falls diese Art wirklich gemeint war, taucht erstmalig in den hippokratischen Schriften (ca. 500 v. Chr.) unter dem Namen Phu auf, den man wohl mit „Pfui“ oder „Puh“ übersetzen kann, aufgrund seines stechenden Geruchs. Der Baldrianwurzel wurden damals schon schlaffördernde und krampflösende Eigenschaften zugeschrieben.
Dioskurides (1. Jh. n. Chr.) schrieb, Phu würde auch Wilde Narde genannt. Die Wurzel erinnere an den Duft der Narde, besitze aber einen etwas unangenehmen Geruch. Trocken eingenommen besäße sie eine harntreibende Wirkung und als Tee helfe sie gegen Seitenschmerzen. Es würde auch Gegengiften beigemengt und fördere die Menstruation.
Plinius (ca. 23 - 79 n. Chr.) berichtet sinngemäß das Gleiche wie Dioskurides, darüber hinaus beschreibt er verschiedene Narden. Die eretische würde von einigen Wilde Narde oder Phu genannt, sie habe Blätter wie der Pferdeeppich (Smyrnium olusatrum).
Hildegard von Bingen (1098 - 1179) empfahl mit Baldrianwurzelpulver, Katzenminzepulver, Mehl und Wasser kleine Kuchen in Fett zu backen und diese gegen Gicht und Brustfellentzündung einzunehmen.
Leonhart Fuchs (1501 - 1566) unterschied einen Großen und einen Gemeinen Baldrian. Der Große müsse in Gärten gezogen werden, da er wild nicht vorkäme. Baldrian würde auch Phu oder Nardus sylvestris genannt und von den Apothekern Valerianam. Die medizinische Wirkung der Wurzel beschrieb er wie Dioskurides, ergänzt aber, dass sie gegen Pest helfe. Ein Absud der Wurzel, in die Augen getropft, bereite klare Sicht.
Interessantes am Rande
Während Baldrian auf Menschen eine beruhigende Wirkung hat, kann er Katzen wahnsinnig machen. Man nimmt an, dass der Duft von Baldrian große Ähnlichkeit mit katzenspezifischen Sexuallockstoffen besitzt.
Eine Überdosierung von Baldrian-Präparaten kann zu Übelkeit, Erbrechen und Magenkrämpfen führen.